Freitagabend in Aguascalientes, Feierabend in der Firma. Ich bin auf dem Rückweg nach Hause und teile mir das Taxi mit zwei Chinesinnen – die Frau des Fabrikleiters und eine weitere Mitarbeiterin. Die beiden auf der Rückbank, ich shotgun neben dem Taxifahrer. Und im Laufe dieser durchaus abenteuerlichen Fahrt entdecke ich meine Liebe für Internet-Startups wieder, besonders für eines, das ich gerade in Mexiko selbst oft benutze und das sich doch recht kontrovers umstritten auf dem deutschen Markt platziert hat: Uber.

Doch zunächst zurück zur Taxifahrt nach Hause. Wir lassen das Taxi von der kleinen caseta de seguridad – dem Wächterhäuschen vor der Firma – rufen. Und warten, denn das Taxi kommt gut zwanzig Minuten zu spät an. Während dieser Zeit läuft das Taximeter natürlich schon. Das Taxi kommt an, und heraus steigt der Taxifahrer – ein Mann, der die Blüte seines Lebens schon überschritten hat (das klingt jetzt furchtbar negativ und gemein, aber ich versuche nur, zu beschreiben) und eine labbrige Jogginghose und ein schmutziges Tshirt trägt. Er spricht sich mit der Wächterin ab, wir steigen ein, und schon geht es los.

Erst als wir losfahren fällt mir auf, was für eine Wampe der Gute neben mir eigentlich hat. Er lümmelt im Fahrersitz wie ich zu Hause auf dem Sofa vor dem Fernseher. Aber fahren kann er, das ist ja als Taxifahrer auch das Wichtigste. Nur ab und zu macht er so Sachen wie zum Beispiel 100 km/h in einer 50er Zone zu fahren, sodass wir beim Durchqueren einer Unterführung regelrecht von den Sitzen hüpfen als wir wieder nach oben schießen. Ich schaue mich immer wieder im Taxi um und bemerke so einige interessante Dinge. Unter anderem, dass es sich um einen Nissan Tsuru (japanisch für Kranich) handelt, der seit 1982 ohne Veränderung gebaut wird und in vielen lateinamerikanischen Ländern noch sehr beliebt ist. Geschickter Weise gelten unter anderem auch in Mexiko neue Regelungen und Vorschriften für die Autoindustrie nur für Modelle, die nach Inkrafttreten dieser Gesetze auf den Markt kommen. So kann Nissan sein Tsuru Modell seit über dreißig Jahren technisch unverändert zum unschlagbaren Preis von 6.000 Euro pro Neuwagen anbieten – natürlich ohne technische Vorzüge wie Airbag,  ABS oder automatische Fensterheber.

Dieses Taxi ist auf jeden Fall kein Neuwagen, was man dem Innenraum eigentlich überall ansieht. Spröde Gummidichtungen, durchgesessene Sitze und abgenutzte Teppiche fallen mir ins Auge. Genauso auch, dass unser Taxifahrer immer wieder an seinen Nägeln kaut und darauf hin hochkonzentriert seine Fingerspitzen begutachtet. Irgendwann denke ich, er könnte sich ja auch einfach die Nägel schneiden – und wie auf Kommando wurstelt er in seiner Hosentasche herum und holt einen Nagelklipser hervor, der an der nächsten roten Ampel auch gleich in Gebrauch genommen wird. Ganz nebenbei lässt er sich es auch nicht entgehen, sich immer wieder leider überhaupt nicht unauffällig am Schritt zu kraulen.

Als wir an einer Kirche vorbeifahren, bekreuzigt sich der Taxifahrer und nickt. Was soll er auch anderes tun, schließlich lächelt und winkt ihm Papst Johannes Paul II zu – und das, obwohl man ihn mit Papierklammern an der Sonnenblende des Beifahrersitzes eingeklemmt hat. Auch auffällig ist ein kleines Schälchen vor der Gangschaltung, in dem um die zwanzig Zahnstocher liegen. Ob benutzt oder unbenutzt lässt sich auch bei näherem Blick nicht feststellen. Zwischen der Windschutzscheibe und dem Armaturenbrett ist außerdem eine kleine Holzschatulle eingeklemmt, die leider geschlossen ist, weshalb der Inhalt für uns verborgen bleibt – das Taxiinnere wirft zunehmend mehr Fragen auf.

Eine nette Szene ergibt sich, als wir an einer Ampel halten und der Fahrer des Taxis neben uns von dem unseren erkannt wird. Sie grüßen sich nett und winken sich zu (ganz ähnlich wie die Regensburger Busfahrer) und unterhalten sich kurz nett miteinander. Die Ampel wird grün und schon geht es weiter.  Beim Anhalten an der letzten Ampel vor unserem Ziel bekommen wir eine der traurigeren Seiten Mexikos zu sehen. Ein junger Mann läuft von Auto zu Auto, in der Hand ein Schild, auf dem steht: „Brauche Prothese für mein Auge“. Bei längerem Hinschauen sehe ich dann auch, das seine rechte Augenhöhle leer ist. Und wieder muss ich daran denken, wie gut wir es in Deutschland mit unserer gesetzlichen Krankenversicherung haben.

So amüsant ich mir die Taxifahrt auch gestaltet habe, ganz das Gelbe vom Ei ist sie doch nicht gewesen. Auch wenn ich bisher in Mexiko erst drei Mal Taxi gefahren bin, sind diese Fahrten nicht unähnlich gewesen – und somit betritt ein zunächst unbekannter Gegner die Bühne. Wer Uber nicht kennt: es handelt sich dabei um eine App, die von sich behauptet, kein Taxiunternehmen zu sein, sondern lediglich die Kommunikation zwischen Fahrer und Passagier übernimmt. Jeder kann sich bei Uber anmelden und in seiner Freizeit quasi zum Privatfahrer werden. Als Passagier rufe ich per App ein Auto zu mir, sehe genau, wo es sich befindet und wann es ankommt, gebe mein Ziel ein oder sage es dem Fahrer, und bezahle bargeldlos per Transaktion innerhalb der App. Eine bequemere Art, sich in einer Stadt von A nach B zu bewegen gibt es also wohl kaum. Außerdem sind die allermeisten Uber-Fahrer das genaue Gegenteil von dem oben beschriebenen Taxifahrer. Nicht nur sind sie immer ordentlich gekleidet – was sie tatsächlich fast als Chauffeur erscheinen lässt – sondern der Service ist exzellent, was Abholen, Fahren und Ankommen angeht. Als Sahnehäubchen bieten viele Wasser und Minzbonbons an, auch kann man als Passagier oft die Musik des eigenen Handys abspielen („tienes auxiliar?“).

Vor allem aber sind Uber-Fahrten viel sicherer als Fahrten mit dem konventionellen Taxi. Autos müssen Mindeststandards hinsichtlich Sicherheit, Alter und technischen Funktionen erfüllen – die Tsuru Taxis haben wie gesagt nicht einmal Airbags. Und für viele spielt der Preisfaktor eine große Rolle: Uberfahrten sind für die gleiche Strecke bis zu 40% billiger als Taxifahrten.

Das Ganze soll jetzt natürlich nicht wie eine Werbung für das Internet-Startup sein (ich werde nicht dafür bezahlt, versprochen). Trotzdem weiß ich, dass ich diesen Service in Deutschland vermissen werde, da er außerhalb Münchens und Berlins nicht verfügbar ist – Dank vehementen Wehrens vonseiten der deutschen Taxiunternehmen (mit den Preisen deutscher Taxis zu konkurrieren ist nämlich nicht sonderlich schwer, stellt sich heraus). Das Wichtigste aber an der ganzen Sache: Uber bietet in Taipei seine Dienste an – und dort werde ich ab Oktober für drei Monate sein. Wie oft ich ihn in dieser Zeit allerdings tatsächlich entgegennehme, wird sich herausstellen. So hat doch Taipei ein fantastisches ÖPNV-System aus Metro, Bussen und Bikesharing – drei Dinge, die ich in Aguascalientes vermisse. In diesem Sinne: Auslandsaufenthalt gerettet!

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