Autorin: Zoe Zottl

Während meines 3-monatigen Auslandsaufenthaltes in Jakarta konnte ich sowohl persönlich als auch über die Medien mitverfolgen, wie die Ausbreitung des Corona-Virus die Stimmung im Land veränderte. Während die Regierung Problematiken eines Entwicklungslandes gegenüberstand, wuchs der Druck von Seiten internationaler Beobachter nach glaubwürdigen Erfassungen und Informationsweitergaben.

Im Folgenden stelle ich die Anforderungen an die Regierung im Umgang mit der Pandemie (eines unbekannten Virus) in Bezug auf die infrastrukturellen Gegebenheiten dar.

Anhand von drei Faktoren erläutere ich wie die Ausbreitung und Auswirkungen des Corona-Virus sich auf Indonesien ausgewirkt haben. Hierzu gehe ich zunächst auf die externe Problematik, die Verbindung zu China ein, es folgt ein Blick auf die interne Problematik, das schwach entwickelte Gesundheitssystem Indonesiens. Zum Schluss erläutere ich die selektive Informationsweitergabe sowie deren Hintergründe.

Durch die hinzugeführten Ausschnitte meiner Tagebucheinträge zeige ich, wie sich die Stimmung und Reaktion im Bezug auf die Pandemie in meinem direkten Umfeld verändert haben.

Keine Infektionen trotz enger Verflechtungen zu China

Indonesien und China verbindet seit jeher eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zusätzlich stellen Chinesen die größte Touristengruppe des Inselstaates dar. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass noch im Januar ein reger Flugverkehr zwischen den Ländern stattfand.

Die Regierung erließ Anfang Februar einen sofortigen Stopp des Flugverkehrs und folgte damit den Beispielen vieler Länder. Die Regierung betonte in den Medien, dass es sich hierbei um frühzeitige Vorkehrungen handelte, welche zur Prävention dienten.

Allerdings stellte sich nur kurz nach dem Erlass heraus, dass Bürger der Stadt Wuhan bereits im Januar Flüge über Bali nach Shanghai vorgenommen hatten und teilweise auf der Touristeninsel geblieben sind, um einer Ansteckung mit dem Virus zu entgehen.[1]

Dass der Einreisestopp aufgrund der engen Verbindungen zu China womöglich zu spät stattfand, verdeutlichte sich, als der Fall eines Bürgers aus Wuhan bekannt wurde, welcher nach seinem Auslandsaufenthalt positiv auf das Virus getestet wurde.

Erste Zweifel über die Aussagekraft der verwendeten Tests und die Glaubwürdigkeit der Regierung entstanden, als diese nach Veröffentlichung der Vorfälle betonten, dass auf Bali, trotz durchgeführter Tests, keine Infektionen verzeichnet werden konnten.[2]

Tagebucheintrag 20.2.2020 / Woche 3

Dass die Ausbreitung des Corona-Virus in Indonesien weitaus präsenter war als in Deutschland, wurde mir bereits kurz nach meiner Einreise klar. Körpertemperaturmessungen in öffentlichen Gebäuden und das Tragen einer Maske in den Bussen gehörten hier zum Alltag. Auch die Frage, weshalb das Virus Indonesien trotz der engen Verbindung zu China noch nicht erreicht hat, ist ein alltägliches Thema jedes Smalltalks. Neben der Vermutung, dass die Regierung Informationen zurückgehalten hat, um die ohnehin schon geschwächte Wirtschaftskraft des Landes zu schützen, kursieren noch viele weitere Theorien, die von einigen Teilen der Bevölkerung sehr ernst genommen werden. Während mein Dozent in einer Vorlesung die Vermutung äußerte, das tropische Wetter könne die Ausbreitung des Virus verlangsamen, teilte eine Freundin die Ansicht des Gesundheitsministers, in welcher er nach Vorwürfen über die Unglaubwürdigkeit der Testergebnisse argumentierte, dass Indonesien aufgrund der Gebete bisher vom Virus verschont geblieben sei.

Falschdarstellung der Vorbereitung des Gesundheitssystems

Nachdem sowohl die internationale Presse, als auch indonesische Wissenschaftler anzweifelten, dass der Inselsaat vom Virus verschont geblieben sei, wurde dem Präsidenten vorgeworfen, Informationen bezüglich der Infektionszahlen aus wirtschaftlichem Interesse zurückzuhalten.  Gleichzeitig bemühte sich die Regierung darum, die Situation zu beschwichtigen und versicherte, dass das Gesundheitssystem auf eine Pandemie gut vorbereitet sei. Indonesien hätte ein funktionierendes Frühwarnsystem und verfüge über 100 Krankenhäuser, welche auf den Ausbruch des Virus vorbereitet seien.[3]

Tatsächlich stellte sich nach Veröffentlichung der ersten Infektionen am 2. März heraus, dass lediglich 49 der zuvor genannten Krankenhäuser auf die Aufnahme von Corona-Patienten vorbereitet waren.[4] Es zeigte sich, dass Indonesien die geringste Abdeckung an Krankenbetten in ganz Asien aufweist und ein Mangel an Beatmungsgeräte besteht.[5] Diese Faktoren waren neben der geringen Testabdeckung der Grund dafür, dass die Sterberate mit etwa 8% die zweithöchste in Asien darstellte.  Die Krankenhäuser berichteten bereits nach 2 Wochen von einer starken Überlastung des Gesundheitssystems. Mangelnde Sicherheitsausrüstungen und Überforderung des Personals führten zudem zu einer hohen Sterblichkeitsrate bei Ärzten und Pflegekräften.[6]

Tagebucheintrag 27.03.2020 / Woche 7

Seit Bekanntgabe der ersten mit Corona Infizierten Patienten sind nun 3 Wochen vergangen. Die Bildungseinrichtungen Jakartas sind seit dem 16. März geschlossen und die Regierung bittet die Bürger um die Einhaltung von Maßnahmen zu einer Kontaktreduzierung. Verfolgt man die Medien, wird das Bild vermittelt, dass die Maßnahmen von einem großen Teil der Stadtbevölkerung eingehalten werden. Die Aufnahmen von Drohnen und Löschfahrzeugen, welche die Straßen der Stadt desinfizieren, werden medial verbreitet. Gleichzeitig beobachte ich bei einigen meiner Bekannten, dass die „Corona-Ferien“ dazu genutzt werden, um schnellstmöglich die Stadt zu verlassen, aus der Sorge heraus, ein baldiger Lockdown könne die Rückreise in die Heimatstadt zu Beginn des Ramadans im folgenden Monat verhindern. Bei einem Blick in die Sozialen Medien, in meinem Fall vor die Haustür, wird ebenfalls klar, dass sich viele über die Bitte zur Kontaktminimierung hinwegsetzen. Auf der Straße tummeln sich weiterhin Straßenverkäufer und aus den Kaufhäusern sowie Restaurants erreichen mich Bilder meiner Kommilitonen, die ihre Freizeit zusammen mit Freunden genießen. Unter diesen Beiträgen mehren sich zunehmend die Aufrufe zahlreicher Ärzte mit der Bitte, das Haus nicht zu verlassen, welche nicht selten mit verstörenden Amateurvideos begleitet werden, auf denen die katastrophalen Umstände in Krankenhäusern gezeigt werden.

Verschweigen der Todesfälle

Die Veröffentlichung der hohen Sterblichkeitsrate führte bereits zu Verunsicherungen, dennoch schien die Anzahl der Todesfälle im Bezug auf die Bevölkerung relativ gering zu sein.

In Recherchen konnte ermittelt werden, dass die tatsächliche Zahl der Todesfälle durch das Virus weit höher ist als durch die von der Regierung erfassten Sterbefälle. (Grafik 1) Grund dafür ist die Zählweise, in der nur Verstorbene in die Statistik aufgenommen werden, welche vor ihrem Tod positiv auf das Virus getestet wurden. Es konnte ermittelt werden, dass zu den offiziellen Zahlen, der durch Corona ausgelösten Todesfälle innerhalb von 16 der 34 Provinzen, über 2000 Todesfällen hinzukamen, bei welchen die Patienten zuvor typische Symptome gezeigt hatten.[7]

Die Zahlen, welche insbesondere die Bevölkerung Jakartas verunsichern, beziehen sich auf die drastische Zunahme der Beerdigungen, die nach Bekanntgabe des ersten öffentlichen Infektionsfalles durchgeführt wurden. Jakarta war bisher die am stärksten von dem Virus betroffene Region und verzeichnete im März einen Anstieg der Beerdigungen welcher 40% über dem monatlichen Durchschnitt lag. (Grafik 2)

(Allard, Tom u.a.: „Exclusive: More than 2,200 Indonesians have died with coronavirus symptoms, data shows“, (2020),  unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-casualti-idUSKCN22A04N (abgerufen am 03.05.2020))
Grafik 2 (Allard, Tom u.a.: „Exclusive: Jump in Jakarta funerals raises fears of unreported coronavirus deaths“, unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-funerals-idUSKBN21L2XU (abgerufen am 03.05.2020)) 

Tagebucheintrag 14.04.2020 / Woche 10

Die Sensationslust einiger Indonesier in meinem Umfeld hat sich mittlerweile in Ungewissheit und bei einigen auch in Angst verwandelt. Das zwischenmenschliche Verhalten hat sich insbesondere mir, als Ausländerin, gegenüber verändert. Wurde ich vor einigen Wochen noch begeistert auf der Straße angesprochen, nehme ich nun wahr, dass Menschen den Kontakt zu mir meiden. Zudem steigt neben der Sorge, bei einer Ansteckung nicht effektiv behandelt werden zu können, die Sorge vor möglichen Ausschreitungen aufgrund von Wirtschafseinbußen. Chinesischstämmige Indonesier beschäftigt diese Entwicklung insbesondere, da sie bereits zur Wirtschaftskrise Ende der 90er Jahre Opfer von Aufständen und der daraus entstehende Gewalt wurden. 

Die Zerrissenheit der Regierung

Entwicklungssaaten stehen in Krisensituationen weitaus größeren Problematiken gegenüber als Industrieländer. Der Vorwurf, Indonesien habe den Flugverkehr nach China zu spät gestoppt, ist im Hinblick auf die Vorbeugung der Virusausbreitung berechtigt. Allerding muss davon ausgegangen werden, dass die Regierung bei dieser Entscheidung die wirtschaftlichen Einbußen und die damit verbundenen Entlassungen von Bürgern beachtet, hat.

Ähnlich verhält es sich Bei der Informationsweitergabe über mangelnde medizinische Versorgung und den starken Anstieg an Toten. Die Regierung hätte im Falle der Veröffentlichung der ungewissen Lage riskiert die Bevölkerung in Panik zu versetzen.

Die Regierung scheint unter dem internationalen Druck glaubhafte Informationen zur Verfügung zu stellen zu zerreißen. Sie wagt einen Spagat zwischen der Informationszurückhaltung, um wirtschaftliche Einbuße sowie mögliche Aufstände zu reduzieren und der strikten Durchführung von Regelungen, um das Fortschreiten des Virus zu minimieren und den Zusammenbruch des ohnehin schon schwachen Gesundheitssystems zu verhindern.

[1]Widianto, Stanley u.a.: „Indonesia traces movements of Chinese tourist with coronavirus, (2020), unter: https://www.reuters.com/article/us-china-health-indonesia-idUSKBN2070YC (abgerufen am 03.05.2020)

[2]Widianto, Stanley u.a.: „Indonesia says nothing to hide after no coronavirus cases detected“, unter: https://www.reuters.com/article/us-china-health-indonesia-idUSKBN2051IK (abgerufen am 03.05.2020)

[3]Mulyanto, Randy u.a.: „Why are there no reported cases of coronavirus in Indonesia?“, , (2020),  unter: https://www.aljazeera.com/news/2020/02/reported-cases-coronavirus-indonesia-200218112232304.html (abgerufen am 03.05.2020)

[4]Davies, Ed u.a.: Indonesia „should ‚prepare for the worst‘ on coronavirus, Red Cross says“, unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-redcross-idUSKBN21620V (abgerufen am 03.05.2020)

[5]Cahya, Gemma Holliani u.a.: „Indonesia scrambles to contain coronavirus as most hospitals not ready“, , (2020),  unter: https://www.thejakartapost.com/news/2020/03/13/indonesia-scrambles-to-contain-coronavirus-as-most-hospitals-not-ready.html (abgerufen am 03.05.2020)

[6]Widianto, Stanley u.a.: „Indonesia reports biggest jump in coronavirus deaths as Malaysia trend improves“, (2020),  unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-cases-idUSKCN21R15M (abgerufen am 03.05.2020)

[7]Allard, Tom u.a.: „Exclusive: More than 2,200 Indonesians have died with coronavirus symptoms, data shows“ ,(2020),, unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-casualti-idUSKCN22A04N (abgerufen am 03.05.2020)

[8]Allard, Tom u.a.: „Exclusive: Jump in Jakarta funerals raises fears of unreported coronavirus deaths“, (2020), unter: https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-indonesia-funerals-idUSKBN21L2XU (abgerufen am 03.05.2020)

*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2/ Covid 19 entstanden.

Kommentar verfassen