Einer der interessantesten Aspekte des sambischen Alltags ist die Energieversorgung. Einerseits, weil sie sehr dem Klischee eines Entwicklungslandes entspricht, andererseits, weil sie jegliches Klischee schnell widerlegt.

Leben kann ja bekanntlich nur entstehen, wenn genug Wasser vorhanden ist. Das Lebenselixier ist wonach die NASA auf anderen Planeten sucht, um so Anzeichen für Leben im Universum zu finden. Doch für uns Menschen ist Wasser längst mehr als ein Grundlebensmittel. Wasser wird benutzt um Menschen und Autos zu waschen, um künstlichen Schnee herzustellen und, wie im Falle Sambias, Energie zu produzieren. Seit 1956 die erste Stromleitung eröffnet wurde, die zwei Stromnetze miteinander verbinden konnte, spielt die Frage der Energiegewinnung eine zentrale Rolle in der Machtverteilung und im Aufschwung des Landes.

In Sambia kommt heute ca. 94% der Energie aus Hydropower-Anlagen. Das Land verfügt über riesige Wasservorkommen wie den Sambesi und den Kafue Fluss, und kann so zum Beispiel komplett auf Kohle als Energieträger verzichten. Auch gibt es im ganzen Land kein einziges Atomkraftwerk, die Energie wird nur über Hydro- und Thermoenergie gewonnen.

Kariba Dam. Zambia. Zimbabwe. Taken March 9, 2015. https://www.flickr.com/photos/hagviken/16784391202/
Kariba Dam. Zambia. Zimbabwe. Taken March 9, 2015. Quelle

Das klingt zunächst sehr lobenswert, da so ein Land, das seine wirtschaftliche Blütezeit sicher noch vor sich hat, sich nicht bedingungslos dem Massenkonsum unterwirft und im großen Stil z.B. Kernkraftwerke durch (ausländische) Kredite finanzieren lässt um Massenindustrie zu fördern. Natürlich ist ein Vergleich zu hoch technologisch entwickelten Nationen wie Deutschland schwierig, da nur ca 30% des Landes elektrifiziert sind (in ländlichen Gebieten sogar nur 5%), doch mutet eine solche ressourcensparende, von Anfang an nachhaltige, natürliche, grüne Energiepolitik sehr sympathisch an.

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Die beiden großen Kraftwerke Sambias sind der Kafue Gorge Dam und der Kariba Dam. Quelle (27/09/2016)

Doch bekannter Weise kennt die Natur Grenzen. Der Sambesi ist inzwischen die größte natürliche Energiequelle im südlichen Afrika, und wird von allen Anrainerstaaten als solche genutzt, wodurch aber ja nicht mehr Wasser den Fluss hinunterfließt. Das große Problem, das mit dieser Art Energiegewinnung verbunden ist, stellt – neben den biologischen Problemen eines verschobenen ökologischen Gleichgewichts (wie im Kinderbuch “ Die Konferenz der Tiere“ von Erich Kästner beschrieben) – die große Abhängigkeit der ganzen Wirtschaft und damit auch der Entwicklung des Landes von Naturphänomenen, wie zum Beispiel einer etwas zu langen Trockenzeit dar. Dieses Jahr, angeblich aufgrund der El Niño- Unregelmäßigkeiten schon im zweiten Winter in Folge, ist die Trockenzeit außergewöhnlich lang und leider war auch die letzte Regenzeit nicht besonders ergiebig. Deswegen ist ein Energiesystem, das zum allergrößten Teil aus Hydroenergie besteht, schnell ausgehebelt. Denn die Staubecken wären bald einfach leer, was einen totalen Stromausfall bis zur Regenzeit bedeuten würde. Das will ich mir gar nicht vorstellen.

Die Lösung der Regierung war es bisher jeden Tag einen 8 stündigen Powercut durchzuführen. Das heißt, Privathaushalten und kleineren Geschäften wird 8 Stunden lang am Tag der Saft abgedreht. Die neue Regierung, die erst seit ein paar Wochen in Amt ist, hat die Zeit auf 4 Stunden am Tag reduziert, was sicherlich schon besser ist, aber andererseits immer noch sehr einschränkend. Zumal das eigentliche Problem der Wasserknappheit natürlich nicht gelöst ist, im Gegenteil: Es ist akuter den je!

Mit den größten Einschränkungen hat natürlich die Wirtschaft zu kämpfen. Zwar haben viele Firmen inzwischen einen eigenen Generator, auch das Büro der FES, doch vor allem die kleinen Betriebe und Geschäfte leiden natürlich darunter. Die großen Industrieanlagen, sowie Banken und Krankenhäuser sind sowieso vom Powercut ausgenommen, denn die wirtschaftlichen und im Falle der Kliniken auch humanitären Folgen wären unabsehbar. An den weitreichenden Folgen dieser Einschränkung hat wiederum natürlich das ganze Land zu leiden, vor allem aber die ärmeren Teile der Bevölkerung, die sich eben keinen eigenen Generator leisten können, und denen vielleicht Arbeitsplätze verwehrt werden, weil manche Firmen sogar wegen des fehlenden Stroms schließen müssen. Die auch keine Solarlampen oder Ähnliches haben um sich beispielsweise zu bilden, etwa für die Schule zu lernen, ein Buch zu lesen oder Nachrichten zu verfolgen. Die Lebensmittel derjenigen verderben, die keinen Generator für den Kühlschrank haben, sodass vielleicht der Monatseinkauf einer kleinen Familie einfach dahin ist.

Der Kalender meines Wohnviertels für die Zeiten ohne Strom.

Für mich wirft das zum ersten Mal ein sehr konkretes Problem im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Erderwärmung auf. Bisher lag vielleicht im Winter etwas weniger Schnee (was durch die Schneekanonen aber ja wieder ausgeglichen wurde), und die Sommergewitter waren vielleicht etwas stärker, aber ansonsten schienen die Umweltprobleme erst noch auf uns zu warten. Wobei das Wort Umweltprobleme natürlich viel zu kurzgefasst ist und die existenziellen Fragen dieser Entwicklung überhaupt nicht einschließt. Oft heißt es in den Protokollen der großen Klimakonferenzen, dass vor allem die Entwicklungsländer unter einem sich verändernden Klima zu leiden haben, während die Industrienationen und die Schwellenländer, die ja nachweislich den großen Teil der Umweltbelastung ausmachen, nur mit kleineren Luxusproblemen zu kämpfen haben. Beispielhaft für die Sub-Sahara Region steht Sambia. Die Zukunft des Landes wird von einem weiteren Anstieg der Durchschnittstemperaturen stark geprägt werden, und vielen Versuchen seitens der Weltgemeinschaft und der lokalen Institutionen, die Entwicklung des Landes voranzutreiben wird so jegliche Grundlage entzogen. Das wäre sehr schade und frustrierend, denn Sambia hätte die große Möglichkeit schon zu Beginn der Entwicklung Strukturen zu prägen, die aus einem ökonomisch unterentwickeltem Land ein Vorbild für andere, angeblich weiter entwickelte Nationen machen könnten!

Titelbild von Circle of Blue (27/09/2016)

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