Wie der brasilianische Präsident die Medienlandschaft beeinflusst.

Den Sand zwischen den Zehen und die Meeresluft im Gesicht zu spüren nach dem strikten Lockdown wirkt so friedlich. Man könnte denken, ich würde nicht in dem Land mit den zweitmeisten Covid-19 Fällen weltweit leben. Auf dem Weg nach Hause nehme ich meine Hawaianas und mein Strandtuch mit der brasilianischen Flagge mit und möchte im Skulpturenpark des lokalen Einkaufzentrums ein Erinnerungsbild schießen. Nur wenige Sekunden später bin ich von Security-Leuten umgeben, die mir in einem recht aggressiven Ton dies verbieten wollen. Bin ich zu nah an die Skulptur gekommen? Habe ich das Gelände zu einer verbotenen Zeit betreten?

Auf die Frage, was genau ich verbrochen habe kam die Antwort: „Sie zeigen die brasilianische Flagge“

Dieses Argument klang für mich in diesem Moment genauso unverständlich wie für Sie, jedoch gibt es dafür leider Gründe, warum das Zeigen der Flagge problematisch ist. Figuren wie Sara Winter, die sich in sozialen Netzwerken als Patrioten und Bolsonaro Anhänger präsentiert, indem sie Fotos in blau-grün-gelb postet, ist ein Teil eines gefährlichen Trends. Eines Trends, bei dem die Fahne nicht unschuldigen Patriotismus symbolisiert. Ein Foto mit einer brasilianischen Flagge in den Sozialen Medien zu teilen und das Einkaufszentrum zu markieren hätte sowohl mir als auch dem Eigentümer des Einkaufszentrums, dem reichsten Mann des Bundestaates, eine politische Präferenz zugeschrieben.

Flagge zeigen, Bolsonaro Regierung unterstützen.

Seit Beginn des Wahlkampfes 2017 nutzte der jetzige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die brasilianische Nationalflagge als Zeichen des Patriotismus in seiner Wahlkampagne. Dies benutzen die Anhänger von Bolsonaro, auch Bolsominios genannt, um ihre Unterstützung gegenüber dem Präsidenten in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Dies fiel in Zeiten der Pandemie durch die wütenden blau-grün-gelben Mobs auf, die hauptsächlich in Brasilia für die Wiedereröffnungen der Wirtschaft und gegen die Covid-19 Maßnahmen gestreikt haben. Vor allem in den Sozialen Medien heißt es, wer Flagge zeigt, unterstützt die Bolsonaro Regierung.

Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß

Am Freitag den 05. Juni veröffentlichte das Gesundheitsministerium ein Schreiben, in dem es die Veröffentlichung von den Statistiken der Covid-19 Fälle und Verstorbenen beschränkt. Über 24 Stunden wurde die offizielle Seite des Ministeriums nicht aktualisiert, in der Hoffnung, dass dies die einzige Art und Weise ist, wie sich die Bevölkerung über die aktuelle Situation der Pandemie informiert. Der Übergangsminister des Gesundheitsministeriums Eduardo Pazuello, ein General mit überschaubarer medizinischer Erfahrung, begründete die Beschränkung durch aufgeblasene und unrealistische Nummern in den Medien. Diese würden die Bevölkerung beunruhigen und den Wiederaufbau des Landes entgegenstünden. Jeder Tod eines Brasilianers würde als Covid-19 Tod verzeichnet werden, um Situation verschlimmert darzustellen. Zwar wurde die Internetseite der Regierung nach massivem öffentlichem Druck wieder aktualisiert, jedoch nicht mit akkuraten Nummern. Aus der Not, fehlende Statistiken zu erschließen, schlossen sich mehrere Mediengruppen zusammen. Als zusammengeschlossene Mediengruppen veröffentlichen sie Covid-19 Statistiken, die sie aus den veröffentlichen Zahlen der einzelnen Bundesstaaten zusammenrechnen. Die Statistiken des Gesundheitsministeriums und der Medien unterscheiden sich bis heute drastisch.

#FAKENEWS

Die Äußerung von der Bolsonaro Regierung, dass die Medien die Covid-19 Statistiken drastischer darstellen, wird stark in den Sozialen Medien über die „Bolsonaro News“ verbreitet. Einen bestimmten Post, indem der national größten Mediengruppe GLOBO genau dies vorgeworfen wurde, wurde von Facebook als Falschmedlung eingestuft. Dies war jedoch erst der Anfang der Facebook-Untersuchung. Facebook hat ein ganzes “Fakenews-Netzwerk” der Bolsonaros mit insgesamt 35 Konten, 14 Seiten und einer Gruppe auf Facebook und 38 Konten auf Instagram blockiert.

Der Falschmeldungs Vorwurf ist eine Vermutung, dem die brasilianischen Behörden schon seit längeren nachgehen. Die Policia Federal untersucht den Verdacht seit April diesen Jahres und hat bis jetzt vor allem den Sohn des Präsidenten Carlos Bolsonaro im Visier. Der Präsident selbst ist erst durch die Facebook Blockierung ins Visier der Behörden geraten. Die Falschinformationen handeln hauptsächlich von Behauptungen, die den Stand der Pandemie verharmlosen sollen.

Bolsonaro als Hydroxychloroquin Vorbild

Am 07. Juli erreicht ganz Brasilien die Nachricht, dass Präsident Bolsonaro positiv auf Covid-19 getestet wurde. Ein Ergebnis, das bei seinem Umgang mit den Covid-19 Präventionen nicht wirklich verwunderlich ist. Das Bad in der Menge bei Pro-Bolsonaro-Protesten in Brasilia, engbepackte Konferenzen mit allen Ministern und eine Reise durchs Land standen auf seiner Tagesordnung. Natürlich tat er all dies ohne Masken und mit Händeschütteln. Die Reise durchs Land sollte durch medialen Präsenz die wirtschaftlichen Erfolge demonstrieren und die sozialen, medizinischen Probleme der Krise verbergen. Dadurch, dass er sich so sehr in den Medien präsentierte, ist leider ersichtbar, wie viele Menschen Bolsonaro angesteckt haben könnte. Nach meiner eigenen Rechnung können sich bis zu 100 Menschen, hauptsächlich politische Berater, angesteckt haben.

Die Hoffnung, dass die Erkrankung des Landesoberhauptes die Bestreiter aufweckt und die Regierung zum Umdenken zwingt, wie es in England der Fall war, ist nach kurzer Zeit erloschen. Um seine Unantastbarkeit zu demonstrieren, gibt Bolsonaro weiterhin persönliche Pressekonferenzen mit Reportern und zeigt die milden Folgen der kleinen Grippe.  Wer vor ihm Angst hat, solle nicht zu den Pressekonferenzen kommen, vor allem nicht das böse GLOBO.

Natürlich nutzt Bolsonaro seine milden Symptome als öffentlichen Beweis, dass ein privilegierter, konservativer Brasilianer, der das umstrittene Hydroxychloroquine Medikament schluckt, keine Angst vor der Erkältung Covid-19 haben muss. Damit bewirbt er ein Medikament, das wissenschaftlich nachgewiesen zu Herzproblemen führen kann und deshalb nicht zur Prävention geeignet ist.

Fazit

Die mediale Beziehung die Bolsonaro während seiner Präsidentschaft, aber vor allem in der Pandemie, zur Manipulation der Informationsquellen nutzt, haben einen gefährlichen Macht auf die beeinflussbare und ungebildete Bevölkerung. Handlungen, wie die Nationalflagge als politisches Werkzeug zweckzuentfremden und die traditionellen Medien als Feindbild darzustellen, sind kein Teil einer gesunden Demokratie und schaden der Medienlandschaft. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass der Versuch, Bolsonaro Anhänger und Covid-19 Bestreiter mit Fakten zu überzeugen, an Argumenten wie „das böse GLOBO“ und „nutze doch alternative, wahrheitsgemäße Quellen“ scheitert. Diese politische Manipulation mag zwar im Wahlkampf keine Leben aufs Spiel setzen, jedoch tut es dies offensichtlich in der Pandemie. Nicht nur Covid-19 Folgen, sondern die Nebenwirkungen des beworbenen Medikaments, treffen die Bevölkerung. Hierbei spreche ich leider ebenso aus persönlicher Erfahrung, da die Großmutter einer Freundin in diesem Moment mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus fährt. Sie hatte Hydroxychloroquin genommen.

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